Verweisung in der Berufsunfähigkeitsversicherung
Bei der Verweisung in der Berufsunfähigkeitsversicherung gibt es oft Streit um den Begriff der bisherigen Lebensstellung. Der Bundesgerichtshof musste hier nun erneut Klarheit schaffen.
Wenn es bei der BU-Versicherung zu einer Verweisung kommt, ist der Punkt der Lebensstellung von besonderer Bedeutung. Denn die Möglichkeit einer Verweisung wird davon abhängig gemacht, ob die neue Tätigkeit auch der bisherigen Lebensstellung entspricht. Was der Begriff „bisherige Lebensstellung“ allerdings bedeutet, darüber herrscht meist Uneinigkeit und Streit – denn oftmals enthält der entsprechende BU-Vertrag keine genaue Definition. Erneut musste sich darum der Bundesgerichtshof mit dieser Frage befassen (Az: IV ZR 11/16).
Was war geschehen?
Ein Mann aus Schleswig-Holstein hatte eine BU-Zusatzversicherung abgeschlossen. In dieser hieß es unter § 2:
„Vollständige Berufsunfähigkeit liegt vor, wenn der Versicherte infolge Krankheit, Körperverletzung oder Kräfteverfalls, die ärztlich nachzuweisen sind, voraussichtlich dauernd außerstande ist, seinen Beruf oder eine andere Tätigkeit auszuüben, die aufgrund seiner Ausbildung und Erfahrung ausgeübt werden kann und seiner bisherigen Lebensstellung entspricht.“
Der Mann war mehrere Jahre zum Landmaschinenmechaniker ausgebildet worden, war aber danach lange Zeit als Hufschmied tätig. Der Mann gab an, seit 2004 unter chronischen Lendenwirbel- und Schultergelenksbeschwerden zu leiden. Diese machten ihm das Ausüben seines Berufs immer schwieriger, bis er 2012 den Beruf des Hufschmieds nicht mehr ausüben konnte. Seitdem war er als Maschinenführer und später als Lagerist tätig.
Die Versicherung weigerte sich allerdings zu zahlen und gab an, der Mann könne auf die Tätigkeit als Maschinenführer verwiesen werden. Daraufhin zog der Mann vor Gericht.
OLG lehnt Klage ab
Das Schleswig-Holsteinische Oberlandesgericht wies die Klage ab. Die Verweisung auf den Beruf des Maschinenführers sei zulässig, so die Richter, da es sich um eine Tätigkeit handele, die dem Versicherungsnehmer nach Ausbildung und Berufserfahrung möglich sei. Auch entspreche sie der Lebensstellung. Hierzu gehören laut OLG sowohl die Verdienstmöglichkeiten als auch das Ansehen des Berufs. Zwar habe der Mann als selbstständiger Hufschmied im ländlichen Bereich wohl über ein höheres Sozialprestige verfügt, dieses würde allerdings durch das höhere Einkommen als Maschinenführer ausgeglichen, so das Gericht. Der Mann wollte dieses Urteil nicht akzeptieren und brachte den Fall vor den Bundesgerichtshof.
Der BGH wollte sich der Entscheidung des OLG nicht anschließen und verwies den Fall an dieses zurück. Die Karlsruher Richter bemängelten, dass es das Berufungsgericht versäumt habe, die Qualifikation des Versicherungsnehmers bei der Bewertung der Lebensstellung zu berücksichtigen. So dürften bei der Verweisung keine Tätigkeiten ausgewählt werden, „deren Ausübung deutlich geringere Fähigkeiten und Erfahrung erfordert als der bisherige Beruf“.
Und weiter: „Eine Vergleichstätigkeit ist dann gefunden, wenn die neue Erwerbstätigkeit keine deutlich geringeren Kenntnisse und Fähigkeiten erfordert und ihrer Vergütung sowie in ihrer sozialen Wertschätzung nicht spürbar unter das Niveau des bislang ausgeübten Berufs absinkt.“
Der BGH stellte klar, dass hieran auch ein höheres Einkommen nichts ändere. Der ausgeübte Verweisungsberuf dürfe nicht „unterwertig“ sein, also den früheren beruflichen oder sozialen Status unterschreiten. Das OLG habe dies für Tätigkeiten des Hufschmieds sowie des Maschinenführers allerdings nicht ausreichend untersucht, so dass der BGH den Fall zurück an die Berufungsinstanz verwies.
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